Placebo & Nocebo-Effekt

und was wir daraus lernen können



Henry Beecher war ein amerikanischer Arzt, der nach seinem Studium an der Harvard-Universität, als Anästhesist und Chirurg beim U.S. Militär im Einsatz war. Als gegen Ende des zweiten Weltkrieges das Morphium in den Feldlazaretten ausging, mussten viele Operationen notgedrungen ohne Schmerzmittel vorgenommen werden. Doch dann passierte etwas sehr Außergewöhnliches. 


Placebo-Effekt


Beecher beobachtete wie eine OP-Schwester eine Spritze mit Salzlösung aufzog und diese einem verwundeten Soldaten verabreichte, so als ob es Morphium wäre. Erstaunlicherweise beruhigte sich der Patient und reagierte tatsächlich so, als ob er das Schmerzmittel erhalten hätte.

 

Daraufhin führte Beecher die notwendige Operation ohne Narkose durch, wobei er bemerkte, dass sein Patient währenddessen weder an nennenswerten Schmerzen, noch an einem hypovolämsichen Schock litt - was unter diesen Umständen eigentlich zu erwarten gewesen wäre.

 

Angesichts dieses Erfolges, aber auch aus Mangel an Morphium, injizierte Beecher seinen Patienten fortan vor jeder Operation eine Salzlösung, wobei er sich natürlich stets fragte, wie die unerklärliche Wirkung und der Erfolg dieser "Scheinbehandlung" zu verstehen sei. Deshalb begann er nach dem Krieg damit, dieses erstaunliche Phänomen zu erforschen.

 

Er gilt somit als einer der neuzeitlichen Pioniere auf diesem Gebiet.



1962 wurde in Japan eine bekannte Studie mit Kindern durchgeführt, die normalerweise sehr allergisch auf eine giftige Efeuart reagierten. Den Kindern wurde ein Unterarm mit der giftigen Pflanze eingerieben, allerdings wurde ihnen vorher gesagt, dass es sich dabei um eine völlig harmlose Variante handelt.

 

Zur Kontrolle wurde ihnen im Gegenzug der andere Unterarm, diesmal allerdings tatsächlich mit einem ungiftigen Blatt, eingerieben. Das unglaubliche Resultat war, dass nur sehr wenige Kinder einen Ausschlag bekamen, obwohl sie mit dem giftigen Efeu behandelt wurden.

 

Es ist an dieser Stelle unmöglich, alle verfügbaren Studien zu diesem Thema aufzuzählen, die in ihrer Gesamtheit und ohne den geringsten Hauch eines wissenschaftlichen Zweifels, die Wirksamkeit des Placebo- ("ich werde gefallen"), aber auch des Nocebo- ("ich werde schaden") Effekts, auf überaus beeindruckende Art dokumentieren und somit auch die folgende, damit verbundene Tatsache, auf eine sehr unstrittige Art beweisen:

 


Die Macht der Gedanken


Offenbar können Gedanken, in Form von Glauben und Erwartungen, einen größeren Einfluss auf biologische Prozesse ausüben, als das materielle Umfeld und somit die physische Realität selbst!



Diese Erkenntnis markiert zugleich auch den Beginn weiterer wissenschaftlicher Disziplinen,

wie beispielsweise der Psychoneuroimmunologie und ist zudem für die Renaissance der heutigen "Mind-Body Medizin" verantwortlich. Fachrichtungen also, die die Auswirkungen von Gefühlen, Einstellungen, Glaubenssätzen und Denkmustern auf das Immunsystem sowie den Einfluss der Geist-Körper-Verbindung auf bestimmte Krankheiten erforschen. 


Nocebo-Effekt




Ein Nocebo-Effekt hingegen, tritt in der Regel ein, wenn eine Testgruppe zwar ein Placebo erhalten hat, im Zuge dessen aber bestimmte Nebenwirkungen entwickelt, die im Zusammenhang mit dem jeweiligen Medikament üblicherweise in Verbindung gebracht werden. Die Teilnehmer wissen in dem Fall ja nicht, dass sie das Medikament gar nicht bekommen haben, sondern nur eine Zuckerpille ohne medizinisch wirksame Inhaltsstoffe (Placebo).

 

Da sie aber davon überzeugt sind und fest daran glauben, dass sie tatsächlich den Wirkstoff erhalten hätten, entwickeln viele der Probanden, die dafür typischen Nebenwirkungen (ungefähr so, wie bei unserem vorherigen Experiment mit der Zitrone).



Ein Nocebo-Effekt kann übrigens auch ausgelöst werden, wenn z.B. unser Therapeut von dem Erfolg einer bestimmten Behandlungsweise vollkommen und leidenschaftlich überzeugt ist, wir selbst aber an der Kompetenz der Person, oder an der Art der Behandlung (aus welchen Beweggründen auch immer), zweifeln.

 

In diesem Zusammenhang ist die Wahrscheinlichkeit sogar ziemlich hoch, dass die empfohlene Therapie bei uns gar nicht anschlägt, weil wir aus obigen Gründen insgeheim nicht an einen für uns günstigen Ausgang glauben, obwohl die Behandlung objektiv betrachtet, möglicherweise sehr große Erfolgsaussichten hätte.



Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass eine Fehldiagnose, die uns durch den Therapeuten unseres Vertrauens mitgeteilt wird, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit durchaus dazu führen kann, dass sich die jeweiligen, mit dem Krankheitsbild der Fehldiagnose einhergehenden Symptome, in unserem Körper manifestieren und der weitere Krankheitsverlauf das tatsächlich prognostizierte und somit erwartete Ende nimmt.

 

Nicht etwa, weil wir die Krankheit zum Zeitpunkt der Diagnosestellung tatsächlich hatten, sondern weil wir voller Überzeugung an die Unfehlbarkeit der zuvor gestellten Diagnose glaubten.



Spätestens seit Anbeginn des neuen Milleniums, ist durch zahllose, wissenschaftliche Studien völlig zweifelsfrei bewiesen, dass diese Effekte, in Hinblick auf den Erfolg sowie auf einen möglichen Misserfolg einer bestimmten Heilbehandlung, ein äußerst wichtiger und ernstzunehmender Faktor sind. Allerdings bleibt diese Tatsache im klinischen Praxisalltag leider immer noch weitestgehend unbeachtet. Warum wohl?

 

Ein Schelm der da denkt, unser derzeitiges "Gesundheitssystem" wäre tatsächlich nur an unserem Wohlergehen interessiert.


Eines jedenfalls ist dabei glasklar: Durch unsere Gedanken können wir einen erheblichen Einfluss auf unsere Körperchemie und unsere geistige sowie körperliche Verfassung nehmen. Deshalb bietet es sich in diesem Zusammenhang geradezu an, noch einmal auf eine kurze Stippvisite, bei "Poppy“, unserem alten und vielleicht mittlerweile sogar lieb gewonnenen Kassettenrecorder, vorbeizuschauen.


Die "Poppy" Realität


Von den tausenden Gedanken, die wir in unserem Alltag produzieren (nach neusten Erkenntnissen 70.000 - 100.000), sind bis zu 95% ähnliche, zu einem Großteil sogar die gleichen Gedanken, die wir gestern schon gedacht haben.



Wenn wir schlafen gehen, dann schlafen wir in einer bestimmten Position, stehen auf die immer gleiche Weise auf, gehen ins Bad, duschen und waschen uns und unsere Zähne - so wie immer am Morgen, trinken den gleichen Tee oder Kaffee aus unserer bevorzugten Tasse, während wir unser Frühstück, auf die gleiche Art und Weise wie gestern, auf unserem Lieblingsplatz zu uns nehmen. Währenddessen tun wir das, was wir scheinbar schon immer so getan haben.

 

Dann schließlich ziehen wir uns an und fahren auf derselben Strecke, so wie jeden Tag, in die Arbeit. Dort beschäftigen wir uns mit Aufgabenstellungen, mit denen wir uns auskennen, die uns bekannt vorkommen. Dabei treffen wir dieselben Kollegen, die ebenfalls ihre wiederkehrende Tagesroutine abspulen und wie gewohnt auf die immer gleichen, emotionalen Knöpfe drücken. Der ganz normale Wahnsinn. Nach acht Stunden geht es dann in der Regel wieder heimwärts, auf derselben Strecke natürlich.

 

Kurz noch etwas einkaufen, selbstverständlich in dem Laden, in dem wir immer unsere Sachen besorgen und dann ab nach Hause, unsere weitere Freizeit genießen, die nicht selten darin mündet, dass wir nach dem Essen dieselben Sendungen und Shows (natürlich immer in leicht abgewandelter Form, dafür aber mit austauschbaren Inhalten) in der Flimmerkiste anschauen, um dann nach dem Zähneputzen und der Abendtoilette endlich ins Bett zu gehen, damit wir am Folgetag wieder fit und bereit für die nächste Runde sind.


Und das tagein, tagaus (und täglich grüßt das Murmeltier), Monat um Monat und Jahr für Jahr.



Unser "Poppy" spult also jeden Tag weitestgehend gleichbleibende Gewohnheiten und Gedankenmuster ab, die wiederum die Grundlage für unsere weiteren Entscheidungen bilden.

 

Die auf dieser Basis getroffenen Entscheidungen, führen zu identischen Verhaltensweisen, wodurch wir immer wieder dieselben Erfahrungen, mit den dazu passenden, immer gleichen Gefühlen erzeugen.

 

Im Gegenzug erschaffen unsere wiederkehrenden Emotionen, wiederum die dazu passenden Gedankenmuster und Gewohnheiten, wodurch sich dieser Zyklus schließt und wir jeden Tag aufs Neue am Anfang des Kreislaufs stehen und das ganze "Spiel" schließlich wieder von vorne beginnt.



Die Zukunft ist unsere Vergangenheit


Dadurch erzeugen wir immer wieder unseren alten Seinszustand (altes ich) und somit immer nur unsere gleiche, wiederkehrende Wirklichkeit. Dabei bestimmt unsere Vergangenheit in einem hohen Maß, zu welcher Persönlichkeit wir uns in Zukunft entwickeln werden.

 

Die Summe unserer vergangenen Gedanken (altes ich) erschafft zunächst unsere Gegenwart.

 

Die Art wie wir heute Denken wiederum, erschafft unser zukünftiges ich, welches in Folge dieses Kreislaufs nichts anderes, als ein Prototyp unseres bereits bestehenden und vergangenen Selbst, sein wird.

 

Die Persönlichkeit, die wir also in der Zukunft sein werden, ist somit nahezu dieselbe, die wir in der Vergangenheit waren.



Während dieses mehr oder weniger bewussten Prozesses, bleibt auch unsere Körperchemie weitestgehend die Gleiche.

 

Selbst wenn wir heimlich auf eine Veränderung in unserem Leben hoffen, verwenden wir durch unsere nahezu identischen Gedanken, Handlungen und Gefühle, immer nur die gleichen neuronalen Schaltkreise und erzeugen somit dieselben biochemischen Moleküle in unserem Körper, wie die, die wir in der Vergangenheit bereits schon produziert haben.

 

Gemäß dem Gesetz von Ursache und Wirkung ("man erntet was man sät") werden dadurch immer wieder die gleichen Gene aktiviert, die wie bisher, dieselben Zellbausteine bilden. Da die Qualität der so erzeugten Proteine über unsere Gesundheit sowie unser Wohlbefinden bestimmt, bleibt deshalb auch unser Lebensgefühl und unser körperliches Wohlbefinden, auf dem von uns gewohnten und unveränderten Stand.


Wahre Evolution, im Sinne der liebevollen Hinwendung und Entwicklung unseres potentiell vorhandenen und "absoluten ich's", sähe in diesem Zusammenhang wahrscheinlich anders aus.




Weiter mit der achten Etappe: Neuroplastizität